Der Komponist, Gitarrist und Sänger Erick Manana zählt zum Urgestein der Musikszene Madagaskars. Seit Jahrzehnten ist er ein Star in seiner Heimat und weltweit populär in der madegassischen Diaspora. Vor einem mehrtausendköpfigen Publikum aller Altersklassen, das seine Lieder begeistert mitsang, feierte er im Mai 2012 in der Hauptstadt Antananarivo gemeinsam mit musikalischen Freunden und Weggefährten sein 35-jähriges Bühnenjubiläum. Im Januar 2013 bereitete ihm und seinen Mitmusikern in Paris das Publikum des legendären Olympia stehende Ovationen. Was ist das künstlerische Geheimnis seiner Musik?
In seinen poetischen Liedtexten bewahrt Erick Manana den alten Bilder- und Farbenreichtum der madegassischen Sprache, widmet sich mit ihr aber aktuellen Themen: dem Erfindungsreichtum, der Leidensfähigkeit, den kleinen Siegen und den Enttäuschungen beim heutigen täglichen Kampf der Madegassen ums Überleben. Er singt von Generationskonflikten, den Träumen und dem Heimweh der Emigranten. Kriegsinvaliden, Taxifahrer, Liebende sind die Helden seiner großen Lyrik über kleine Leute.
Musikalisch knüpft Erick Manana an das an, was ihn während seiner Kindheit und Jugend in Antananarivo geprägt und seitdem und auch in Europa nie losgelassen hat: die seelenvoll-melancholischen Hochland-Melodien aus den Gassen und Kneipen des „Tana“ von einst und der silbrig-filigrane Klang der Bambusröhrenzither „Valiha“, die in vergangenen Jahrhunderten das königliche Hoforchester bestückte. Das „Hira Gasy“ inspiriert ihn, das auch heute noch vitale, volksaufklärerische und zirsensische Musiktheater der Reisbauern aus dem madegassischen Hochland mit seinen frappierenden Akkordeon-, Geigen- und Bläser-Grooves und seinem unvergleichlichen mehrstimmigen Gesang.
Erick Manana adaptiert musikalische Traditionen auch aus anderen Regionen der Insel, z. B. „Basesa“ aus dem Osten. Die unterschiedlichsten Rhythmen und Melodien aber verbinden sich in der besonderen Musikalität der madegassischen Sprache, die von allen Völkern der Insel geteilt wird. So laden seine Konzerte auch zu einer Art Klangreise ein durch die Vielfalt der madegassischen Musiktraditionen. Als Akteur auf den Bühnen der europäischen Musikszene, insbesondere der Frankreichs, komponiert und singt Erick Manana natürlich auch für nicht-madegassisches Publikum, und seine Programme erweisen ihre musikalische Reverenz auch den Reichtümern frankophoner europäischer Traditionen wie dem französischen Chanson oder dem Manouche-Swing.
Sein jüngstes musikalisches Projekt entwickelte sich aus der Begegnung mit der deutschen Musikethnologin Jenny Fuhr. Nach jahrelanger Forschungsarbeit, mehreren ausgedehnten Madagaskar-Reisen und vielen Interviews vor Ort auf der Insel wie in der europäischen Diaspora schrieb sie eine Doktorarbeit über Rhythmus in den Musiken Madagaskars und dessen große Bedeutung für das kulturelle Selbstverständnis der Madegassen.
Für Jenny Fuhr als klassisch-europäisch ausgebildete Geigerin und Blockflötistin, mehrfache Bundespreisträgerin bei „Jugend musiziert“, war es eine ungeahnte Herausforderung: sich einzulassen auf komplett neue Arten des Lernens, ohne Noten, ohne Üben im vertrauten Sinne, auf die Gunst des Augenblicks bei Improvisation und nicht zuletzt auf viele, viele madegassische Liedtexte, die für sie damit zum Medium wurden, sich die Sprache überhaupt anzueignen. 2009 in Paris stand sie zum ersten Mal vor madegassischem Publikum auf großer Bühne, und Erick Mananas Landsleute feierten sie mit ihrer Renaissance-Blockflöte als vertrauenswürdige musikalische Erbin des 2001 verstorbenen legendären „Sodina“-Flötenmeisters und Antananarivoer Originals Rakoto Frah. Seitdem hat Jenny einen festen Platz in der madegassischen Musik.
„Ny 2 CV an-dRandria“ betitelte Erick Manana sein Loblied auf Tanas findige Taxifahrer, die in altersschwachen, löchrigen Blechkisten ihre Fahrgäste mit Witz, Herz und Geschick (und bergab meist im Leerlauf) durch die Hauptstadt kutschieren. Es ist auch der Titel der ersten CD von Erick Manana & Jenny Fuhr, erschienen im Januar 2013.